zur Erinnerung

Wider dem Vergessen

In der Nacht vom 25.08.2018 zum 26.08.2018 wurde ein Mann in Chemnitz "abgeschlachtet".

Brennpunkt Zentralhaltestelle: Das falsche Versprechen von Sicherheit

Security, Ordnungsamt, Polizei - sie alle sind an der Zentralhaltestelle täglich präsent. Doch kann man sich in jedem Fall auf ihre Hilfe verlassen? Eine junge Chemnitzerin ist sich da nicht so sicher.

Von Michael Müller

erschienen am 16.02.2017

Zehntausende Menschen sind täglich an der Zentralhaltestelle unterwegs. Tagsüber sorgen Streifen von Polizei und Ordnungsamt für Sicherheit, nachmittags und abends stößt ein privater Sicherheitsdienst dazu. Dennoch kommt es immer wieder zu Zwischenfällen.
Foto: Andreas Seidel

Diesen Samstagabend wird Laura Meier* so schnell nicht vergessen. Mit einer Freundin war die 24-Jährige nach 23 Uhr vom Sonnenberg in Richtung Stadtzentrum unterwegs, um dort einen Klub zu besuchen. Schon an der Hainstraße spricht sie immer wieder ein fremder Mann an. Weder der freundliche, aber bestimmte Hinweis, er solle sie in Ruhe lassen, noch die Ankündigung, telefonisch Hilfe herbeizuholen, beeindrucken ihn. Kaum verschwunden, taucht er wieder auf, macht sich an die jungen Frauen heran und versucht, sie in Gespräche zu verwickeln.

An der Zentralhaltestelle, es ist kurz vor Mitternacht, eskaliert die Situation. Der Verfolger wird zornig, reagiert auf erneute Abweisungen mit den Worten "Willst Du sterben?" - und spuckt Laura Meier ins Gesicht. "Ich hatte sofort Panik, dass der mich vielleicht mit irgendwas angesteckt hat", schildert sie.

Was die junge Frau zusätzlich auf die Palme bringt: Der Vorfall an der Zentralhaltestelle ereignete sich vor den Augen von Mitarbeitern des Sicherheitsunternehmens, das dort im Auftrag des Verkehrsbetriebes CVAG unterwegs ist. "Wir können nicht verstehen, warum sie uns nicht zu Hilfe kamen", sagt Laura Meier enttäuscht. Der Wortwechsel zwischen ihr, ihrer Begleiterin und dem Fremden sei laut genug gewesen. "Es war zu erkennen, dass die Security-Leute das auch mitbekommen hatten." Anscheinend, so folgert sie, werde erst eingegriffen, wenn alles zu spät ist.

War es Desinteresse, Verunsicherung, Versagen? Oder fehlte die Legitimation zum Einschreiten? Die Tätigkeit privater Sicherheitsdienste in der Öffentlichkeit gibt immer wieder Anlass für Diskussionen. Einerseits sollen sie dafür sorgen, dass Menschen sich sicherer fühlen. Andererseits sind ihre Befugnisse, gerade außerhalb von Gebäuden oder Bussen und Bahnen, deutlich begrenzter als beispielsweise die der Polizei. "Übertreten sie ihre Rechte, können sie sich schnell selbst strafbar machen", verdeutlicht Ordnungsbürgermeister Miko Runkel.

Doch das ist mit Blick auf die Zentralhaltestelle offenbar nur ein Teil des Problems. Das zumindest sagen Kenner der Materie. "Die Mitarbeiter haben die ganz klare Anweisung, sich zurückzuhalten, sich strikt auf jene Bereiche zu konzentrieren, die zur CVAG gehören, und sich nicht in andere Auseinandersetzungen einzumischen", sagt ein Insider. Seit mehreren schweren Zwischenfällen im vergangenen Jahr, in die auch Sicherheitsleute involviert gewesen waren, werde besonders darauf geachtet, dass diese Vorgaben eingehalten werden.

Den Eindruck, dass der Sicherheitsdienst an der "Zenti" generell weniger Präsenz zeige als noch vor Monaten, weist Uwe Albert, der stellvertretende Sprecher des Nahverkehrsunternehmens, zurück. "Die Beauftragung wurde nicht geändert", sagte er auf Anfrage. "Der Einsatz läuft weiter wie gehabt." Vom Sicherheitsunternehmen selbst war keine Stellungnahme zu erhalten.

Die Polizei habe die Situation an der Zentralhaltestelle im Rahmen ihrer Streifen "verstärkt im Blick", betont Sprecher Andrzej Rydzik. "Wir werden da auch nicht locker lassen", sagt er und verweist auf mehrere sogenannte Komplexkontrollen, die dort in den zurückliegenden Wochen und Monaten zur Bekämpfung von Kriminalität durchgeführt worden waren. Zuletzt hatte es am vergangenen Wochenende wieder mehrere Einsätze gegeben, weil Personen aufeinander losgegangen waren. Ein 18-Jähriger aus Syrien, der einen 34 Jahre alten Mann afghanischer Abstammung verletzt hatte, war vorläufig festgenommen worden.

Laura Meier hat nach dem Vorfall an jenem Wochenende bei der Polizei Anzeige gestellt, wegen Beleidigung, Körperverletzung und Bedrohung. Sie ist guter Dinge, dass der Täter ermittelt werden kann. Im Dunkeln im Stadtzentrum unterwegs zu sein, versuche sie indes zu vermeiden. "Wenn möglich", so die junge Frau, "werde ich künftig lieber ein Taxi nehmen."

*Name von der Redaktion geändert.


Quelle: FP vom 16.02.2017


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